Vollversammlung
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Raiffeisenverband zieht Bilanz: In einem herausfordernden Umfeld gut behauptet

Der Raiffeisenverband zog am 16. Juni 2023 Bilanz über das Jahr 2022. Der größte Genossenschaftsverband Südtirols und seine fast 360 Mitgliedsgenossenschaften haben ein anspruchsvolles Geschäftsjahr überzeugend gemeistert. Der Verband will die Betreuungs- und Servicequalität für die Mitglieder weiter steigern. Nach dem Motto: unkompliziert, einfach und schnell!

Verbandsobmann Herbert Von Leon konnte neben den Vertreter der Mitgliedsgenossenschaften, von Genossenschafts- und Wirtschaftsverbänden auch zahlreiche Politikerinnen und Politiker begrüßen. Darunter Landeshauptmann Arno Kompatscher, Landeshauptmann-Stellvertreterin Waltraud Deeg und Landwirtschafts-Landesrat Arnold Schuler, die zu brennenden Fragen aus dem Genossenschaftssektor Rede und Antwort standen. Gekommen waren weiters unter anderem auch Raumordnungs-Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer, Landeshauptmann-Stellvertreter und Landesrat für Energie und Umwelt Giuliano Vettorato sowie Europaparlamentarier Herbert Dorfmann, Kammerabgeordneter Dieter Steger, Senator Meinhard Durnwalder und den Direktor der Banca d’Italia Filiale Bozen Michele Benvenuti.

„Die Raiffeisen Genossenschaften weisen trotz schwieriger Rahmenbedingungen und Kostendruck eine ausgewogene Entwicklung auf. Sie haben sich in einer Zeit, in der die Welt sich im Multikrisenmodus befindet, erneut als stabil, sicher und leistungsfähig erwiesen“, sagte Verbandsobmann Herbert Von Leon im Raiffeisenhaus in Bozen. Er zeigte bei der Vollversammlung die Entwicklung der einzelnen Genossenschaftssparten auf.

Ausgewogene Entwicklung der Mitgliedsgenossenschaften

Die 39 Raiffeisenkassen samt Raiffeisen Landesbank verzeichneten im Geschäftsjahr 2022 weiter Zuwächse bei den Einlagen und Ausleihungen: Die direkten Kundeneinlagen stiegen um 3,8 Prozent auf 14,2 Mrd. Euro, die Ausleihungen stiegen um 3,9 Prozent auf über 11,6 Mrd. Euro; der Überschuss der Raiffeisenkassen lag mit 135,6 Mio. Euro um 35 Prozent höher als im Geschäftsjahr 2021, zusammen mit der Landesbank erreichte der Überschuss insgesamt 147,5 Mio. Euro. Das Eigenkapital der Raiffeisenkassen erhöhte sich um 3,4 Prozent auf 2,2 Mrd. Euro. Die Raiffeisenkassen verfügen mit 165 Geschäftsstellen über mehr als die Hälfte der Bankschalter im Land. Die Mitgliederzahl stieg auf knapp 78.400.

Die landwirtschaftlichen Genossenschaften entwickelten sich unterschiedlich, wobei alle Sparten unter den steigenden Produktionskosten litten. Für die Obstgenossenschaften war das Geschäftsjahr 2021/22 schwierig. Ein Überangebot am Apfelmarkt drückte auf die Auszahlungspreise. Die Auszahlung an die Mitglieder fiel mit 413,4 Mio. Euro um 0,5 Prozent geringer aus als im Jahr zuvor. Pro Kilogramm Obst und Gemüse wurden im Schnitt 0,459 Euro (ohne MwSt.) ausbezahlt. Die 14 Kellereigenossenschaften verzeichneten ein sehr positives Geschäftsjahr 2021/22 und zahlten den Mitgliedern für die Trauben 92,2 Mio. Euro aus – ein Plus von fast 22 Prozent. Die Molkereigenossenschaften konnten trotz schwieriger Marktsituation höhere Preise für ihre Produkte am Markt durchsetzen. Sie zahlten im Geschäftsjahr 2022 an ihre Mitglieder mit 234,8 Mio. Euro um 10,2 Prozent mehr aus als im Jahr zuvor. Pro Kilogramm Milch wurden mit 58,46 Cent (ohne MwSt.) um 8 Cent über dem europäischen Durchschnitt ausbezahlt.

Die 54 Energiegenossenschaften (26 E-Werke, 7 Biogas- und 21 Fernheizwerke) versorgten über 22.000 Mitglieder mit erneuerbarer Energie und die 18 Trinkwasser- und Beregnungsgenossenschaften über 5.200 Mitglieder mit Wasser. Die Einkaufs- und Konsumgenossenschaften erzielten gute Ergebnisse und unterstützten die lokale Nahversorgung. Die Sozialgenossenschaften konnten ihren Umsatz deutlich von 32,5 auf über 39 Mio. Euro steigern. Dem Raiffeisenverband gehören auch Viehwirtschaftsgenossenschaften, sonstige landwirtschaftliche Genossenschaften, Wohnbau- und Parkplatzgenossenschaften, Kindergarten- und Kulturheimgenossenschaften und sonstige Genossenschaften an.

Ein Jahr im Zeichen des Wechsels

Für den Raiffeisenverband stand das 2022 im Zeichen des Wechsels an der Verbandspitze vom langjährigen Generaldirektor Paul Gasser hin zu Robert Zampieri. Mit Paulina Schwarz übernahm erstmals in der über 60-jährigen Geschichte des Verbandes eine Frau die Position der 1. Obmannstellvertreterin.

Der Raiffeisenverband wurde seiner Rolle als Interessenvertreter, Dienstleister und Prüfungsorgan der Mitgliedsgenossenschaften gut gerecht. „Die Förderung der Mitglieder stand für uns im Vordergrund“, sagte Verbandsobmann Herber Von Leon. Als Beispiele nannte er die besiegelte exklusive Zusammenarbeit mit dem Energiedienstleister Alperia und dem Technologieanbieter Regalgrid zur Gründung genossenschaftlicher Energiegemeinschaften. Die betrieblichen Fürsorgeleistungen über die Plattform „Raiffeisen Welfare“ wurden erweitert und dabei vor allem auf lokale Anbieter gesetzt. Die Geschäfts- und Kundenprozesse wurden weiter digitalisiert und ein interaktiver Kommunikationskanal für Mitglieder und Kunden errichtet. Daneben wurden 2022 fast die Hälfte aller Mitgliedsgenossenschaften von den Mitgliedsbetreuer*innen aufgesucht. Speziell gefördert wurde die die betriebswirtschaftliche Professionalisierung der Sozialgenossenschaften. Viel Wert wurde auf die Aus- und Weiterbildung gelegt. Beispielsweise wurde mit der Freien Universität Bozen das Schulungsprogramm „Fit & proper in Kreditgenossenschaften“ erarbeitet, um den gestiegenen Anforderungen an die Leitungsorgane der Raiffeisenkassen zu entsprechen.

Zampieri: „Unkompliziert, einfach und schnell“

Generaldirektor Robert Zampieri unterstrich die klare Ausrichtung der Verbandsarbeit auf den Nutzen der Mitglieder: „Das Mitglied steht im Mittelpunkt, Qualität und Service der Leistungen bilden unseren Handlungsleitpfad, wir sind Problemlöser und erster Ansprechpartner für die Mitglieder“, sagte Zampieri. Seine Art der Führung beschrieb er mit dem Motto „Aus eigener Kraft und Kompetenz – unkompliziert, einfach und schnell“ und skizzierte die zentralen Schwerpunkte der Verbandsarbeit. Im Rahmen einer Reorganisation wurden die Zuständigkeiten im Raiffeisenverband geschärft und der Boden für neue Geschäftsfelder bereitet. Als ein Beispiel nannte Zampieri die Einrichtung von Raiffeisen-Stiftungen als ein vielversprechendes Modell. Zampieri will die finanzielle Basis des Raiffeisenverbandes stärken und die Dienstleistungen ausbauen.

Als einige der Herausforderungen und Chancen nannte er die Entwicklung des genossenschaftlichen Versicherers Assimoco, an dem Raiffeisen maßgeblich beteiligt ist; die Veränderungen in der Investitionsbank Trentino-Südtirol Mediocredito; die enge Zusammenarbeit und Absprache mit der Raiffeisen Landesbank zum Schutz und Weiterbildung der Raiffeisenkassen; die Entwicklungen am Energiemarkt und die Gründung genossenschaftlicher Energiegemeinschaften.

Einen zentralen Schwerpunkt bildet die Stärkung der Kommunikation, um die Bedeutung und Vielfalt der Raiffeisen-Genossenschaften im Land sichtbarer zu machen. Dazu beitragen soll auch die Verwendung der Marke Raiffeisen durch die Mitgliedsgenossenschaften über die Raiffeisenkassen hinaus.

Als strategisch relevant nannte Zampieri die Themen „Moderner Arbeitgeber“, Arbeitgebermarke und Aufbau einer Dienstleistung für das Recruiting, um für die Raiffeisen-Genossenschaftswelt beste Mitarbeitende zu gewinnen.

Als Herzensanliegen bezeichnete Zampieri das Projekt „Raiffeisen-City“. „Mit dem Neubau des Raiffeisenhauses als zukünftige Heimat mehrerer Raiffeisengesellschaften wollen wir eine Struktur mit enormer Strahlkraft für das Genossenschaftswesen, und darüber hinaus, schaffen“, sagte Zampieri. Darin soll u.a. auch eine Bildungs-Akademie für Mandatare, Führungskräfte und Mitarbeitende Platz finden.

Als das Erfolgsrezept für alle Vorhaben und Ziele bezeichnete Generaldirektor Zampieri die enge Zusammenarbeit und das geschlossene Auftreten in der Raiffeisen-Organisation nach außen.

Über 222.000 Einzelmitglieder, über 27 Mrd. Bilanzsumme

„Gerade in einer Zeit der weltweit multiplen Krisen, ist ein starkes lokales Genossenschaftswesen von noch größerer Bedeutung als bisher“, sagte Verbandsobmann Von Leon. Dabei spielt das Raiffeisen-Genossenschaftswesen eine zentrale Rolle im Land. Von den 881 Genossenschaften, die am 31.12.2022 im Landesregister der genossenschaftlichen Körperschaften eingetragen waren, gehören über ein Drittel dem Raiffeisenverband an. Ende 2022 zählte der Verband 359 Mitglieder, davon 328 Genossenschaften und 31 Körperschaften ohne Revisionspflicht.

Zu den 2022 neu aufgenommenen Mitgliedern zählen u.a. die Hofburg Brixen mit dem Diözesanmuseum und Diözesanarchiv sowie Tourismusgenossenschaft Natz-Schabs oder die Lungomare Genossenschaft, eine Plattform für Kulturproduktion und Gestaltung in Bozen. Die Zahl der Einzelmitglieder aller Raiffeisen-Genossenschaften erhöhte von 213.870 auf 222.017. Im Jahr 2022 wurden zudem 36 genossenschaftliche Start-up-Initiativen vorwiegend aus den Sparten Landwirtschaft und Soziales & Non-Profit.

Die Raiffeisen-Genossenschaften weisen zusammen eine Bilanzsumme von 27,3 Mrd. Euro und ein Eigenkapital von 3,8 Mrd. Euro auf, erwirtschafteten eine erweiterte Wertschöpfung von knapp 1,5 Milliarden Euro, und erbrachten Leistungen zugunsten der 8.307 Mitarbeitenden in Höhe von über 450 Millionen Euro.