Arbeitskreis für Frauen in Genossenschaften
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Doris Pescosta: "Es ist wichtig, Frauen, den Weg in Führungspositionen zu erleichtern. Die Quote hilft."

Die Rechtsanwältin Doris Pescosta ist seit Juni 2022 Mitglied im Verwaltungsrat der Raiffeisenkasse Kastelruth - St. Ulrich, als zweite Frau im Gremium. Der Frauenanteil in Vorstandspositionen von Genossenschaftsbanken ist noch gering, aber es zeigt sich, dass Teams von Männern und Frauen kreativer, produktiver und erfolgreicher arbeiten.

Raiffeisen Nachrichten: Seit Juni dieses Jahres sind Sie Verwaltungsrätin der Raiffeisenkasse Kastelruth, warum?

Doris Pescosta: Ich bin Verwaltungsrätin geworden, nachdem ein Mitglied des Verwaltungsrates wegen Unvereinbarkeit ausgeschieden ist. Der Verwaltungsrat der Raiffeisenkasse Kastelruth - St. Ulrich hat beschlossen, eine Frau in den Verwaltungsrat zu holen. Ich hatte mich bei den letzten Wahlen um einen Platz im Vorstand beworben, hatte also bereits Interesse gezeigt und bin vom Obmann dann angesprochen worden.

Wie gestaltet sich die Arbeit als Verwaltungsrätin?

Doris Pescosta: Ich bin seit knapp zwei Monaten bei den Verwaltungsrats-Sitzungen dabei, die alle zwei Wochen stattfinden. Die zu genehmigenden Beschlüsse stehen kurz vor der Sitzung zur Verfügung, damit wir uns vorbereiten können. In der Sitzung folgen weitere Erläuterungen durch den Direktor bzw. der jeweils zuständigen Führungskraft. Ich bin dabei, die Abläufe in der Bank kennenzulernen und lerne stetig dazu. Es ist sehr interessant und dass neue Amt bereitet mir große Freude. Die Mitarbeiter der Bank und meine Kollegen im Verwaltungs- und Aufsichtsrat sind sehr hilfsbereit. Da ich kooptiert worden bin, muss ich mich bei der nächsten Vollversammlung der Wahl stellen und hoffe, dass ich als Verwaltungsrätin bestätigt werde.

Welchen Eindruck haben Sie bisher?

Doris Pescosta: Als Verwaltungsrätin der Raika Kastelruth – St. Ulrich darf ich stolz auf eine erfolgreich geführte Bank sein. Die Raiffeisenkasse ist eine Dorfbank und hat Filialen in den größten Fraktionen. Die Mitarbeiter sind sehr engagiert und kompetent, arbeiten professionell und kennen ihre Kunden meist persönlich. Sie sind Ansprechpartner in den unterschiedlichsten Angelegenheiten, nicht nur in Bezug auf Bankgeschäfte.  So benötigen die Kunden oft Ratschläge in rechtlichen Belangen. Um den Mitarbeitern Grundkenntnisse in im Familien- und Erbrecht, wie auch Vertragsrecht und Grundbuch zu vermitteln, durfte ich in den letzten Jahren Fortbildungsveranstaltungen anbieten.

Was fällt Ihnen besonders leicht – oder gelingt Ihnen gut?

Ich lasse mich gerne auf neue Herausforderungen ein und habe Freude an der Arbeit. Es fällt mir leicht, mich in einem neuen Umfeld zurechtzufinden. Es gelingt mir, neue Aufgaben zu übernehmen, ohne damit überfordert zu sein. Ein gutes Zeitmanagement ist mir dabei sehr hilfreich. Ich kann mich gut auf Menschen einlassen und mich in mein Gegenüber hineinversetzen, bin empathisch.

Welches war Ihre bisher größte Herausforderung im Leben?

Als Mutter von fünf Kindern war es meine größte Herausforderung, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Als mein erstes Kind zur Welt kam, war ich an der Uni und mir fehlten noch zwei große Prüfungen und die Doktorarbeit. Die Zeit für die Vorbereitung musste ich mir stehlen. Noch anstrengender war die Vorbereitung auf die Anwaltsprüfung, da mein zweiter Sohn nachts sehr unruhig war und ich unausgeschlafen drei Tage lang Prüfungsarbeiten schrieb, die Prüfung habe ich natürlich nicht bestanden. Beim zweiten Mal hat es dann geklappt.

Wie ist es Ihnen gelungen Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen?

Ich bin zielstrebig und belastbar. Ich musste mir aber Freiräume schaffen und konnte dabei auf die Unterstützung meiner Familie zählen. Mein Mann hat viel gearbeitet, aber jede freie Minute mit den Kindern verbracht. Die Großeltern haben ausgeholfen, wenn wir sie brauchten. Es war ein großes Glück, dass die Kinder selten krank waren und in der Schule nie Schwierigkeiten hatten.

Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, aber als meine Kinder klein waren, also vor ca. zwanzig Jahren, gab es weder Elki, noch Kita. Tagesmütter waren rar und die Sommerbetreuung noch nicht erfunden. Das heißt, dass die Kinder erst mit drei oder vier Jahren in den Kindergarten gingen. Die Betreuung wie sie heute angeboten wird, ist eine große Erleichterung für berufstätige Frauen und nicht mehr wegzudenken.

Welche drei Eigenschaften beschreiben Sie als Person am besten?

Doris Pescosta: Ich bin belastbar, kommunikativ und offen für Neues.

Was machen Sie als Ausgleich zur Arbeit?

Doris Pescosta: Im Sommer wandere ich gerne, im Winter bin ich auf den Schi- und Langlaufpisten anzutreffen, meistens auf der Seiser Alm. Ich verreise gerne, liebe das Meer, aber auch Städte. Regelmäßige Treffen mit Freunden und die Kultur dürfen natürlich auch nicht zu kurz kommen.

Wie gehen Sie mit Herausforderungen um?

Doris Pescosta: Ich sehe eine (berufliche) Herausforderung zuerst als Möglichkeit, zu wachsen und versuche diese schrittweise zu meistern. Wenn notwendig, bin ich auch bereit, Hilfe und Unterstützung anzunehmen.

Was bedeutet Führung für Sie?

Doris Pescosta: Führen bedeutet für mich, anderen eine Orientierung zu geben, damit sie wissen, in welche Richtung sie gehen müssen. In einer Organisation geben die Führungskräfte ihren Mitarbeitern Ziele vor, die sie erreichen sollen und nach denen ihr Handeln ausgerichtet ist.

Wie definieren Sie Macht?

Doris Pescosta: Macht bedeutet für mich, jemand dazu zu bringen, etwas zu tun, was er freiwillig nicht tun würde. Ich denke dabei an den Staat und seine Bürger oder an Eltern und ihre Kinder, an Lehrer und Schüler. Macht kann auch missbraucht werden, deshalb ist es wichtig, diese einzuschränken und zu kontrollieren.

Und wie steht es, um die Macht etwas auf den Weg zu bringen?

Doris Pescosta: Macht ist erforderlich, wenn man Veränderungen vorantreiben möchte, die im Interesse aller notwendig sind, aber nie die Zustimmung aller finden würde, vor allem nicht in kurzer Zeit. Die Alternative dazu sind aufwändige Verhandlungen, um einen Kompromiss zu finden, der meistens im kleinsten gemeinsamen Nenner besteht und nur langsame Veränderungen bringt. In der Politik wird sehr viel diskutiert und verhandelt.

In Unternehmen sind oft tiefgreifende Veränderungen notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft des Betriebes zu garantieren. Diese Entscheidungen muss das Management schnell treffen können.

Und wann empfinden Sie das Gefühl stark zu sein?

Wenn ich in schwierigen Situationen Entscheidungen treffen muss und dafür Verantwortung übernehme.

Gibt es Menschen, die Sie inspirieren?

Menschen, die ihrem Schicksal trotzen und nicht aufgeben, Menschen, die über ein großes Allgemeinwissen verfügen, sich in den Dienst der Gesellschaft stellen, weitsichtig denken, humorvoll sind, inspirieren mich. Eigentlich alle Menschen, die mich ermutigen, mich bestärken und fördern. Dazu gehören meine Freunde, meine Familie und einige Personen des öffentlichen Lebens.

Wie fördern Sie Frauen?

Ich ermuntere junge Frauen in meinem Bekanntenkreis dazu, sich in ihrem Beruf weiterzuentwickeln, mache ihnen Mut Neues zu wagen. Ich zeige ihnen Lösungen auf, wie sie Familie und Beruf vereinbaren können.

Was macht sie glücklich?

Wenn ich meine Kinder mit einem Geschenk überrasche und sie sich darüber freuen, freue ich mich selbst am meisten. Es macht mich glücklich, wertgeschätzt zu werden, meine Ziele zu erreichen, Zeit mit meinen Freunden zu verbringen, einen Gipfel zu erklimmen. Ich habe das Glück, einen Beruf zu haben, der mir große Freude bereitet. Und selbstverständlich gehören die Gesundheit und eine gesicherte Existenz zum Glücklichsein dazu.

Folgen Sie einem bestimmten Lebensmotto?

Eigentlich habe ich kein bestimmtes Lebensmotto, ich bin aber überzeugt, dass jeder seines Glückes Schmied ist, dass es jeder selbst in der Hand hat, glücklich zu werden. Wenn man nur will und sich anstrengt, dann kann man viel erreichen und man soll nicht aufgeben, wenn es oft nur schrittweise vorwärts geht.

Was würden Sie anderen Frauen antworten, die vor der Frage stehen, ob sie sich für ein genossenschaftliches Gremium aufstellen lassen sollen?

Es ist wichtig, dass auch Frauen in diesen Gremien vertreten sind, damit dort mehr Lebensrealitäten Eingang finden. Frauen können dadurch, dass sie mitgestalten, sich persönlich weiterentwickeln. Frauen fehlt oft der Mut, sie überlegen zu lange, ob sie die nötigen Voraussetzungen für ein Amt mitbringen, fürchten, dass sie nicht genügend Zeit mit ihrer Familie verbringen können. Sie sollen es einfach wagen, sollen Prioritäten in ihrem Leben setzen und dafür die Unterstützung von Partner und Familie einfordern.

Haben Sie zum Abschluss noch einen Wunsch an die Fee?

Gesundheit ist das Wichtigste im Leben. Wenn ich also nur einen Wunsch frei habe, dann wünsche ich mir, dass meine Familie gesund bleibt.