Sozialgenossenschaft Platzl in Auer zeigt Wege in ein selbstbestimmtes Leben

Das innovative Konzept der Sozialgenossenschaft Platzl (Sozialgenossenschaft des Typs A - Dienstleistungen) der Betreuung besticht: verteilt auf vier Wohngemeinschaften leben hier 12 Menschen mit Beeinträchtigung, weitgehend autonom. Das Team der Sozialgenossenschaft Platzl an ihrer Seite begleitet sie auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben.

A. wohnt seit 2008 in der betreuten Wohngemeinschaft der Sozialgenossenschaft Platzl im Zentrum von Auer. Ihm gefällt es hier. Er teilt sich die Wohnung mit D. und T.. Alle drei zusammen sind für die täglichen Abläufe in der Wohnung selbst verantwortlich. A. beispielsweise kümmert sich um die Sauberkeit in der Küche und im Aufenthaltsraum der Gemeinschaft: „Pulisco la cucina, il salotto, passo con l‘ aspirapolvere e il mozzo con l‘acqua, riempio la lavatrice, la lavastoviglia e metto a posto la casa.“ Einmal in der Woche kommt Unterstützung von einer Reinigungskraft. Sonst erledigen sie alles selbst.

Derzeit arbeiten elf Mitarbeiter*innen, neun Frauen und zwei Männer für die Genossenschaft Platzl, viele davon in Teilzeit. Der Pflegehelfer Ugo Cont ist einer davon. Er unterstützt die Bewohner bei den Herausforderungen des Alltags: „Nicht alle können alles gleich gut, es gibt Dinge, die gelingen manchen sehr gut, anderen weniger.“ Mit D. und T. beispielsweise bepflanzt der Pflegehelfer heuer den hauseigenen Garten. Eine weitere Klientin begleitet er beim Kochen, da sie in absehbarer Zeit in eine eigene Wohnung zieht und kochen lernen möchte: „Inzwischen haben wir bereits Kartoffeln und andere Gerichte gemacht. Sie schreibt sich alles auf und kann dann, wenn sie allein lebt, für sich oder Freunde etwas zubereiten", so der Pflegehelfer.

Bei der Sozialgenossenschaft Platzl wird Selbstbestimmung großgeschrieben, wie Marlene Fischer, die seit 2022 die pädagogische Leitung innehat, betont: „Jeder Mensch soll selbst über sein Leben entscheiden. Auch die Bewohner haben Ideen und Wünsche, die sie umsetzen möchten. Wir helfen ihnen dabei.“ Sie arbeitet bereits seit 40 Jahren im sozialen Bereich und ist vom angewandten pädagogischen Konzept überzeugt: „Im Netz mit Psychiater, Sozialassistentin, Arzt oder andere Fachleute erstellen wir einen persönlichen Entwicklungsplan mit Regeln und Zielen. Dabei reden wir mit den Bewohnern und nicht über sie.“

Zum Konzept gehört auch, dass alle Bewohner einen eigenen Schlüssel haben. Das ist Vertrauenssache – sagt die Sozialpädagogin und ist nicht selbstverständlich. Die Bewohner*innen wissen es zu schätzen. Überhaupt gibt es nur wenige Regeln im Haus: keinen Alkohol oder Drogen in der Wohnung, keine Gewalt und Abmelden, wenn man beim Essen oder abends nicht da ist.

Die Aufnahme in eine der betreuten Wohnungen läuft über die Bezirksgemeinschaft. Mindestalter ist 18 Jahre und die Person muss in die Gemeinschaft passen (das wird nach einer Probezeit bestimmt). Es muss jedenfalls jemand sein, der die Möglichkeit hat sich weiterzuentwickeln und irgendwann in die Selbstständigkeit gehen kann. Schwerbehinderte können hier nicht wohnen.

D. kam mit 19 Jahren in die WG nach Auer, jetzt ist er 34 und freut sich über die Freiheit, die er hier hat: „Hier gibt es keine Betreuer, die 24 Stunden da sind.“ Diese Erfahrung hatte er in anderen Strukturen gemacht: „Ich bin ein kleiner Wandervogel habe mehrere WGs ausprobiert.“ Irgendwann wird er seinen eigenen Weg gehen - sobald er sich bereit dazu fühlt. Bereits jetzt hat er eine Fixanstellung bei der Gemeinde, kocht sehr gerne und spielt auch gerne mit Kindern.

Auch T. schätzt seine Unabhängigkeit. Der 21jährige ist das jüngste Mitglied der Wohngemeinschaft. Seit November 2022 lebt er hier und ihm kommt es vor, wie eine Ewigkeit - im positiven Sinne. Inzwischen hat er gelernt, mit seiner Freiheit umzugehen: „Ich weiß auch, dass man mit Lügen nicht weiterkommt. Früher habe ich mich oft nicht getraut die Wahrheit zu sagen, weil ich Angst hatte, geschimpft zu werden. Aber in dieser WG habe ich gelernt die Wahrheit zu sagen, weil ich weiß, dass ich über alles reden kann - wie in einer Familie.“ Ein erfreuliches Feedback für das gesamte Team.

Der Präsident der Sozialgenossenschaft Platzl Valentin Fischer bringt das Erfolgsrezept der Genossenschaft auf den Punkt: „Ich glaube das Vertrauen, das wir den Bewohnern schenken, baut sie auf. Man lässt ihnen Freiheiten und hofft, dass sie nicht ausgenutzt werden. Hier wird alles offen diskutiert. Immer geht es dabei um das Zusammenleben, die Normalisierung des Alltagslebens und den Aufbau eines sozialen Netzes.“

Valentin Fischer ist über seine Frau zur Sozialgenossenschaft Platzl gekommen: „Ich habe als Steuerberater gearbeitet und da es bei der Genossenschaft für die Bürokratie jemanden gebraucht hat, bin ich eingesprungen und später dann in den Verwaltungsrat gewählt worden. Und seither bin ich da.“ Die Arbeit im Bereich Bürokratie und Verwaltung macht er gerne. Einzige Wermutstropfen sind die bürokratischen Hürden. Obwohl die Sozialgenossenschaften wichtige Dienstleistungen für die Öffentlichkeit übernehmen, ist die finanzielle Unterstützung nicht selbstverständlich und muss immer wieder angefragt werden. Die Kontinuität macht sich jedoch bezahlt, wie Valentin Fischer ergänzt: „Mit der Unterstützung von Marlene und meiner Frau sind im Jahr 2022 die ganzen Akkreditierungen gemacht worden. Das war wichtig, da wir jetzt einen anderen Personalschlüssel haben, angepasst an unsere spezielle Situation.“ Bei den Wahlen in diesem Jahr wird er sich noch einmal aufstellen lassen, dann möchte er seine Aufgabe abgeben.

Die Sozialgenossenschaft Platzl in Auer ist eine der ältesten Sozialgenossenschaften in Südtirol. Sie bietet 12 Menschen mit Beeinträchtigung einen Platz und unterstützt sie auf den Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Über individuell abgestimmte Projekte – begleitet durch das interdisziplinäre Team - werden die Visionen und Ziele der Klienten festgelegt. Sie sind dabei in möglichst vielen Entscheidungsprozessen persönlich eingebunden, damit sie lernen ihre eigenen Fähigkeiten zu erkennen und mit ihnen kompetenzorientiert zu arbeiten.