Sozialgenossenschaften professionalisieren sich

Der Auftakt zum ersten interdisziplinären Lehrgang für Sozialgenossenschaften fand am 15. November in Bozen statt, organisiert vom Kompetenzzentrum für Sozialgenossenschaften im Raiffeisenverband Südtirol. Eine Chance für Organisationen des Dritten Sektors.

Basiswissen für Sozialgenossenschaften kompakt in einem Lehrgang angeboten - das gab es in Südtirol noch nie. Die meisten Menschen in der Führung von Sozialgenossenschaften mussten sich das entsprechende Wissen oft mühsam in der Praxis erarbeiten. Künftig ist das anders. Denn vor Kurzem ist der erste interdisziplinäre Lehrgang für Sozialgenossenschaften gestartet. Weitere sollen folgen.

Inhaltlich geht es im - auf sechs Module (4,5 Tage in Präsenz und online) angelegten Kurs - um den Aufbau, die Funktionen und die Prozesse einer Genossenschaft und um grundlegende Kenntnisse in Betriebswirtschaft, Unternehmensführung und Kommunikation. Die Referentinnen und Referenten sind RVS-Mitarbeitende aus allen RVS-Bereichen.

Obmann Herbert Von Leon und gleichzeitig Vorsitzender des Mutualitätsfonds, der dieses Projekt mitunterstützt, lobte den neu organisierten Basislehrgang für Sozialgenossenschaften. Er sieht darin eine große Chance für bestehende Genossenschaften und auch für Menschen, die daran denken eine Genossenschaft zu gründen. Vizedirektor Christian Tanner und Leiter des Kompetenzzentrums für Sozialgenossenschaften unterstrich im Rahmen der Auftaktveranstaltung: „Es ist wichtig, dass sich Sozialgenossenschaften und andere Körperschaften des Dritten Sektors professionalisieren, weiterentwickeln und untereinander vernetzen. Wir als Verband möchten sie auf allen Ebenen unterstützen.“

Die Leistungen und Kontaktstellen für Sozialgenossenschaften im Raiffeisenverband Südtirol präsentierte Gloria Dolliana, Mitgliederbetreuerin für Sozialgenossenschaften im Verband. Von einer großen Chance für bestehende Genossenschaften und Neugründende sprachen die beiden Unternehmensberaterinnen Kathrin Gschleier und Sarah Watschinger: „Dieser Lehrgang ist ein kompaktes Rundumpaket für Sozialgenossenschaften - praxisnah und anschaulich.“

Viele der anwesenden Führungspersonen von Sozialgenossenschaften hätten sich schon früher eine entsprechende Fortbildungsveranstaltung gewünscht. So etwa Renate Haller, Geschäftsführerin der Sozialgenossenschaft Villa Carolina in Meran: „Als ich im Jahr 2018 angefangen habe, kam ich von einem Seniorenheim, aber das Genossenschaftswesen war mir fremd. Aufgrund des damaligen Führungswechsel hatte ich leider nie eine umfassende Einführung in das Genossenschaftswesen. Hätte ich den Kurs vor drei oder fünf Jahren gemacht, wäre mir viel erspart geblieben.“

Lukas Zimmerhofer ist der Obmann der Sozialgenossenschaft Somnias, Bruneck, die Projekte im Bereich Kinderbetreuung anbietet. Für ihn ist der neue Lehrgang eine sinnvolle Initiative zur Kompetenzstärkung: „Gerade für neue Genossenschaften ist so ein Crashkurs hilfreich. Zu wissen, wer in den Gremien von Genossenschaften, welche Funktionen und Kompetenzen hat, verbessert das gegenseitige Verständnis.“ Er erhofft sich besonders im Bereich Kommunikation viel Neues dazuzulernen, auch um die Abläufe innerhalb der Genossenschaft effizienter zu gestalten und Konflikte zu vermeiden. Der Austausch mit den anderen Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer freut ihn: „Im Austausch kann man von anderen lernen und gemeinsam kreative Lösungen finden und gleichzeitig das Netzwerk erweitern.“

Christine Moser, Obfrau der Sozialgenossenschaft Kneipp mit Sitz in Eppan meinte nach dem ersten Lehrgangstag: „Für mich war es interessant im Detail zu erfahren, wie der Verband aufgebaut und strukturiert ist und wer für was zuständig ist. Wir haben umfassende Unterlagen erhalten zum Nachschauen. Es hilft sehr, wenn man erfährt, was man bei der Führung einer Genossenschaft effizienter und besser machen könnte. Im Verlauf des Lehrgangs wünscht sie sich noch viele Gelegenheiten sich mit anderen Teilnehmenden auszutauschen und zu vernetzen.

Sabine Cagol, Obfrau der Sozialgenossenschaft IARTS in Bozen, erwartet sich Wissen: „Wenn man eine Sozialgenossenschaft gründet, weiß man meist nicht, welche Fähigkeiten, Wissen und Kompetenzen man braucht. Das kommt über learning by doing. Vieles, das ich bisher im Lehrgang gehört habe, musste ich mir selbst erarbeiten und dachte mir die ganze Zeit, das wäre nett, wenn mir das jemand so kompakt erzählt hätte.“ Der Austausch im Netzwerk ist auch für sie besonders wichtig. Ihr zufolge gibt es im sozialen Bereich besonders großen Aufholbedarf: „Menschen im sozialen Bereich gründen ja meistens nicht mit dem Fokus, eine Sozialgenossenschaft zu führen. Irgendwann merken sie jedoch, dass die rechtliche Schachtel auch wichtig ist.“

Alexandra Reichegger von derSozialgenossenschaft EOS in Bruneck schätzte vor allem den Praxisbezug der Revisoren. Da sie schon lange in einer Genossenschaft arbeitet kannte sie viele Prozeduren und Termine schon. Dennoch fand sie es interessant und freut sich bereits auf die kommenden Treffen.

Das erste Treffen bei dem es um die Themen Entwicklungen und Trends des Dritten Sektors, Datenschutz und die allgemeine Einführung in das Genossenschaftswesen und den Verband ging, ist mittlerweile vorbei. Beim nächsten Mal erläutern die Expertinnen und die Experten des Raiffeisenverbandes alles Wissenswerte zum Themen Personal und Arbeitsrecht. Steuerrecht und Buchhaltung folgen dann im 3. Modul.